Hintergrund
Wasser ist die Schluesselressource fuer menschliches Leben. Der ehemalige UN- Generalsekretaer Kofi Annan hat den Zugang zu Trinkwasser zu einem wesentlichen Menschenrecht erklaert. Das internationale Gesetz schraenkt das Recht einer Besatzungsmacht in Bezug auf die Nutzung von Wasserressourcen ein (Artikel 55- Haager Bestimmungen) und verbietet es der Besatzungsmacht Einwohner im besetzten Gebiet diesbezueglich zu diskriminieren (Artikel 27, Vierte Genfer Konvention). Israel, international anerkannt als Besatzungsmacht, hat seit der Besatzung 1967 illegalerweise palaestinensische Wasserressourcen annektiert und ein zentralisiertes Wassersystem geschaffen ueber das es die volle Kontrolle ausuebt. Israel uebt eine hoechst diskriminierende Wasserverteilungspolitik aus. Damit traegt es zur taeglichen Not von staedtischen und laendlichen Gemeinden in Palaestina bei. Etwas frueher in diesem Jahr brachte Praesident Abbas seine Enttaeschung ueber die israelische Wasserpolitik, die weiterhin den palaestinensischen Entwicklungsprozess hemmt und in mehrfacher Weise Lebensstandards einschraenkt, zum Ausdruck. Die illegalen israelischen Siedlungen im besetzten Gebiet verbrauchen enorme Wassermengen, weshalb sie Wasser von palaestinensischen Gemeinden abzweigen. Zudem liegen Siedlungen an strategischen Punkten, wodurch der Zugang zu Wasser gesichert wird.
Die Wasserkrise
Sicherheit ueber die Ressource Wasser zu haben, ist sowohl fuer Palestinenser als auch fuer Israelis ein wichtiges Anliegen. Im Jahr 1967, kurz vor dem Sechs- Tage- Krieg, merkte der israelische Premierminister Levi Eshkol an, dass die Wasserfrage fuer Israel ueberlebenswichtig sei und dass Israel alle notwendigen Mittel einsetzen wuerde, um Wasserressourcen zu sichern. Die hauptsaechlichen Wasserressourcen sind das Westbank Wasserfuehrungssystem, das an den Fluss Jordan angehaengte und das an der Kueste liegende Wassersystem. Die im Jahr 1967 erlassene Militaerorder mit der Nummer 92 hat alle Befugnisse rund um Wasserangelegenheiten den Behoerden der Besatzungsmacht uebertragen, die ihrerseits im Jahr 1972 diese Befugnisse an das israelische Unternehmen Mekorot uebertrug. Die israelische Besatzung verweigert den Palaestinensern Genehmigungen zur Grabung von neuen Brunnen und vergibt zudem Wasserentnahmequoten, die bereits mehrmals unter dem Grundbedarf lagen. Der palaestinensische Wasserverbrauch pro Kopf ist viermal weniger als der von Israelis und unterhalb des von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Minimums. Dies liegt nicht per se an einer Wasserknappheit. Dahinter stecken vielmehr eine die Palaestinenser diskriminierende Wasserpolitik und fehlende Investitionen in die Infrastruktur. Derzeit werden 80% des Wassers aus dem Wassersystem der Westbank von Israel genutzt (ARIJ) und ein Grossteil des Wassers, das aus den Quellen des 1967 besetzten Gebietes stammt, fliesst den Siedlungen zu. Wasserknappheit, Wasserverschmutzung und fehlende Infrastuktur haben schlimme Auswirkungen auf den Entwicklungsprozess: 215,000 Palaestinenser, ungefaehr 10% der Gesamtbevoelkerung, leben in Gemeinden ohne fliessendes Wasser.
Siedlungen und Wasser
Zwischen der Wasserknappheit der Palaestinenser und der Entwicklung von Siedlungen in der Westbank besteht ein direkter Zusammenhang, denn ohne die Manipulation von Wasserressourcen waere die Gruendung von Siedlungen nicht moeglich. Mekorot, Israels staatseigenes Wasserunternehmen, profitiert davon enorm. Ein Beispiel: Der durchschnittliche palaestinensische Wasserverbrauch pro Kopf liegt sektoruebergreifend bei 107-156 Kubikmeter pro Jahr, wohingegen ein juedischer Siedler im selben Zeitraum 650-1714 Kubikmeter verbraucht, 6-10 mal mehr. Nahezu 40% des fuer die Westbank bereitgestellten Wassers wird direkt (zu ueberhoehten Preisen) von Mekorot bezogen. Das bedeutet nichts anderes, als dass von Palaestina gestohlenes Wasser an die Palaestinenser zurueckverkauft wird, wobei Mekorot kraeftig verdient. 56% des in staedtischen Gemeinden der Westbank genutzten Wassers wird von den israelischen Behoerden bereitgestellt (Quelle: B' tselem). Die Siedler, deren Verbrauch hoeher liegt, erhalten Wasser, das zu einem grossen Teil vom israelischen Staat bezuschusst wird. Von einer einfachen Geschaeftsperspektive her gesehen, liesse sich annehmen, dass die von den Palaestinensern bezahlten hohen Preise einen Teil des Zuschusses fuer die Wasserkosten der Siedler abdecken. Die Siedler wiederum befinden sich illegalerweise in Palaestina und ihr Profit von der ungleichen Wasserverteilung ist ebenso illegal.
Siedlungen erhalten ganzjaehrig und ohne Unterbrechung Wasser, sogar in Sommermonaten, wenn das Wasser knapp wird. Die gegebene Nachfrage nach Wasser in den Siedlungen bedeutet andererseits, dass das in palaestinensische Gebiete gelieferte Wasser drastisch reduziert wird. Ein hoher Beamter der Wasserkommission sagte zu B' tselem: 'Mekorots Pflicht gilt in erster Linie den juedischen Siedlungen und den israelischen Staatsbuergern.' Ein Beispiel hierfuer ist die Verknappung der gelieferten Wassermenge in Hebron von 5,000 Kubikmeter pro Tag auf 2,500 Kubikmeter. Der steigenden Nachfrage in den Siedlungen wurde Prioritaet gegenueber den palaestinensischen Beduerfnissen eingeraeumt. Auch Bethlehem ist von dieser Politik betroffen. Mekorot liefert dorthin normalerweise 10,000 Kubikmeter pro Tag, waehrend den Sommermonaten jedoch nur 6,000 Kubikmeter pro Tag. Die in die juedischen Siedlungen gelieferten Wassermengen werden zur gleichen Zeit nicht abgesenkt. Die fortwaehrende Belieferung der Siedlungen mit Wasser ist eine direkte Konsequenz, die sich aus der Wasserverknappung in den palaestinensischen Gebieten ergibt.
Nicht nur Siedlungen in staedtischen Gebieten, sondern auch landwirtschaftliche Siedlungen profitieren grosszuegig von Israels illegaler und rassistischer Wasserverteilung. So zum Beispiel auch Agrexco, eine israelisches Agrarunternehmen. Es bestaetigte, dass 60-70% aller Produkte die vermarktet und verkauft werden aus dem Jordantal stammen und es in grossem Massstab mit den Siedlungen Tomer, Mehola, Hamra, Ro' I, Massu' a, Mekhora, Netiv Ha-Gdud und Bet Ha-Arava operiert. Waehrend ansaessige palaestinensische Farmer angesichts der Wasserknappheit darum kaempfen muessen ihre Bestaende zu kultivieren, koennen israelische Unternehmen und Siedlungen im Jordantal nur deshalb funktionieren, weil das vorhandene Wasser so unausgewogen verteilt wird. Dies hat eine schaedliche Wirkung fuer die palaestinensische Landwirtschaft zur Folge. Waehrend im besetzten Territorium 14% der Arbeitskraefte im landwirtschaftlichen Sektor beschaeftigt sind, sind es in Israel nur 2% (Quelle: B' tselem). Dennoch erhalten israelische Unternehmen und Siedlungen einen ueberproportionalen hohen Prozentsatz an Wasserlieferungen. Faqqu' a, ein von Israel kontrolliertes Dorf in Zone C, ist ein weiteres Beispiel dieser diskriminierenden Landwirtschaftspolitik. Das Farmland in Faqqu' a ist wegen des fehlenden Wassers duerr und unfruchtbar, waehrend das Land jenseits der Grenze, also in Israel, gruen und ertragreich ist. Das bedeutet, dass , obwohl beide Seiten die gleichen Wasserquellen teilen, die diskriminierende Politik Israels die palaestinensische Landwirtschaft von ihrer Bluete abhaelt. Siehe Karte 1
Karte 1: Brunnen- und Grundwasserverteilung
Die Annexion von Wasserressourcen und Siedlungsaktivitaeten sind, sowohl in staedtischen als auch in landwirtschaftlichen Gebieten, untrennbar miteinander verbunden. Die Standortwahl von Siedlungen und die nachfolgende Infrastruktur um sie herum dienen der Aneignung von Wasserzulaeufen nach Israel. So sind zum Beispiel einige der groessten Siedlungen, wie etwa Ariel und Qedumin, auf dem westlichen Grundwasserbecken gebaut und von der Trennmauer umgeben, womit die Wasserressourcen fuer Israel gesichert sind. Auch wenn die Mauer nicht vorhanden waere, wuerde Mekorot immer noch die Kontrolle darueber haben, wo und an wen Wasser geliefert wird. Indem Siedlungen auf Huegeln und ueberhalb Grundwasservorkommen gebaut werden, wird vermieden, dass Palaestinenser Brunnen anlegen koennen, um Wasser zu erhalten. Es wird vermutet, dass durch die Trennmauer rund 50 Grundwasserbrunnen und 200 Zisternen zerstoert wurden, was bedeutet, dass Flaechen, auf denen potentiell landwirtschaftliche Gueter produziert werden koennten, ueberfluessig gemacht worden sind. Siedlungen machen ein Kernelement dieser Politik aus, da viele Brunnen in Siedlungen angelegt sind. Damit ueben die Siedler die Kontrolle ueber vorhandene Wasserressourcen aus, was zumeist bedeutet, dass Wasser von palaestinensischen Haeusern und Farmern abgezogen wird.
In vielen Faellen sind grossangelegte Gruenflaechen, Gaerten und Schwimmbecken innerhalb der Siedlungen mit die Nutzniesser des priveligierten Wasserzugangs, obwohl sie keinem eigentlichen Entwicklungszweck dienen und reine Schnoerkelei darstellen. Dies steht im direkten Widerspruch zu den umliegenden palaestinensischen Gemeinden, die Wasser zum Trinken, fuer Anbauflaechen und fuer Hygienezwecke benoetigen, jedoch keinen Zugang zur ueberlebenswichtigen Ressource erhalten. Die Annexion von Wasserquellen in palaestinensischen Gemeinden ist deshalb ein Aspekt, der die Hemmung des palaestinensischen Entwicklungsprozesses in der Westbank durch die Siedlungen verdeutlicht. Hinzu kommen die enormen Gewinne, die die israelischen Wasser- und Agrarunternehmen verbuchen, weil sie von einem Monopol gesteuerten Zugang zu Wasser profitieren.
Prepared by:
The Applied Research Institute – Jerusalem