Das Gouvernement Hebron- ein geopolitischer Ueberblick

Das Gouvernement Hebron- ein geopolitischer Ueberblick

Das Gouvernement Hebron liegt im suedlichen Teil der Westbank. Es ist, was Ausmass und Bevoelkerung betrifft, das groesste in der Westbank ueberhaupt. Es erstreckt sich auf eine Flaeche von 1068km2, was in etwa 19% der gesamten Westbankflaeche entspricht. Nach Schaetzungen des palaestinensischen Statistikamts belaeuft sich die Einwohnerzahl auf 607,146 Menschen. 158 Gemeinden befinden sich im Gouvernement, worunter die Stadt Hebron die groesste ist. Tabelle 1 gibt Aufschluss ueber Landbedeckung und –nutzung im Gouvernement Hebron. 

Tabelle 1: Landbedeckung und –nutzung im Gouvernement Hebron

Flaechenart

Flaeche in

Km²

Anteil der isolierten Flaeche

Landwirtschaftliche Flaeche

328

30.7%

Von Palaestinensern bebaute Flaeche

84

7.9%

Von Israel kontrolliertes Gebiet

232

21.7%

Waelder

14

1.3%

Freie Flaechen & Andere

410

38.4%

Gesamt

1068 Km2

100%

ARIJ Database – 2008

Hebron und das Osloer Abkommen

Das II Osloer Interimsabkommen, unterzeichnet im September 1995 zwischen der Palaestinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und Israel, beschloss den Rueckzug Israels aus Gebieten der Westbank und zudem, dass das besetzte Territorium in die je unterschiedlichen Kontrollniveaus unterliegenen Zonen 'A', 'B' und 'C' eingeteilt wird . Diese Aufteilung hat das besetzte palaestinensische Territorium zerklueftet und es in jeweils voneinander isolierte Kantone unterteilt.

Mit dem unterzeichnetem Abkommen wurde das Gouvernement Hebron in Teilgebiete aufgeteilt (A= 24%, B= 22%, C= 48%, Rest Naturreservat). All das geschah als Teil des Rueckzugprozesses, der noch vor 1999, also noch vor Verhandlungen ueber den finalen Status, haette abgeschlossen sein sollen.

Wie im Falle von anderen palaestinensichen Gouvernements wurde der Grossteil des Gebiets im Gouvernement Hebron als 'C' identifiziert, wo Palaestinenser keinerlei Kontrollrechte ausueben duerfen und wo es quasi keinerlei palaestinensische Existenz gibt, bzw. sie auf ein Minimum, im Vergleich zur Bevoelkerungsdichte in den Zonen 'A' und 'B', reduziert ist. Siehe Tabelle 2   

Tabelle 2: Die Landklassifizierung im Hebron Gouvernement entsprechend dem Osloer Abkommen von 1995

Klassifizierung

 

Flaeche/

Km2

In % der gesamten Flaeche des Gouvernements

Bevoelkerungsanteil in entsprechend klassifizierter Flaeche

Bevoelkerungsdichte pro Km2

Zone A

254

24

65%

1562

Zone B

239

22

31%

795

Zone C

513

48

3%

37

Naturreservat

62

6

1%

19

Gesamtflaeche

1068

 

 

 

ARIJ GIS Database – 2008

Karte 1: Das Gouvernement Hebron

 

Hebron (H1&H2 Protokoll)

Im Januar 1997 unterzeichneten die PLO und Israel das Hebron Protokoll, welches die Stadt in zwei Teile spaltete: H1 und H2. Das Gebiet mit Namen H1 macht etwa 20% des Stadtgebietes aus und beherbergt etwa 130,000 Einwohner. Die palaestinensischen Behoerden verfuegen dort ueber nur begrenzte Autonomie. Der zweite Teil, H2, wird vollstaendig von der israelischen Armee kontrolliert und beheimatet etwa 35,000 Palaestinenser und 600 illegale juedische Siedler, die von ungefaehr 2000 israelischen Soldaten bewacht werden.

Das Gebiet mit Namen H2 ist vollstaendig eingeschlossen und wird mit 200 Blockadevorrichtungen verschiedenster Art (darunter 15 Checkpoints, 59 Strassenblockaden und Militaerbarrieren und 91 Erdaufschuettungen) abgeschirmt, die allesamt darauf abzielen die Zugaenge zur Altstadt von Hebron und zum Gebiet H1 zu kontrollieren. Die aus dem Umland stammenden Farmer haben seit Ausbruch der Intifada im Jahr 2000 keinen Zugang zum Altstadtmarkt, so dass die fuer sie wichtigen Maerkte fuer Gemuese, Gold, Yoghurt oder Leder ihnen nicht zugaenglich sind. Seit April 2006 blockieren mehr als 78 Vorrichtungen das Gebiet H2, vor allem die Altstadt und Al- Suq. Viele dieser Blockaden sind genau auf jenen Strassen, die zum Markt fuehren, der rund um die Gegend von Al- Suq liegt, auf der Al Shohada Srasse und auf der 'Gebetsstrasse', die exklusiv fuer Juden gebaut wurde und von Quiryat Arba' zur Ibrahimi Moschee fuehrt.

Alle um die Siedlungen herumfuehrenden Strassen schraenken die Bewegungsfreiheit der Palaestinenser ein. Studenten der Cordoba Schule in der Al Shohada Strasse koennen die Hauptstrasse nicht benutzen, obwohl sie durch auslaendische Geber, die sie sowohl fuer Israelis als auch fuer Palaestinenser andachten, wiederhergestellt worden war. Die israelischen Streitkraefte zwingen die Studenten trotzdem einen Umweg ueber die Suedseite der Schule ueber die Felder zu machen, damit es keine Begegnungen mit Siedlern auf der Al Shohada Strasse gibt.

 

Fuer die in dem Gebiet H2 lebenden Palaestinenser ist es erforderlich sich bei der israelischen Armee zu registrieren, um Zugang zu ihren Haeusern zu erhalten. Siehe Karte 2

 

Karte 2: H1 und H2 Gebiete in Hebron

 

Bewegungseinschraenkungen in Hebron 2

Die Sektion H2 in der Stadt Hebron ist umzingelt von Checkpoints, Strassensperren, Militaerbarrieren und Trennstrassen, die zum einen zu anderen Teilen der Stadt im Gebiet H1 fuehren, jedoch auch zu anderen H2- Stadtteilen, wie etwa zum einzigen Industriegebiet (Al Fahs). Wie weiter oben schon erwaehnt, haben Farmer aus der umliegenden Region deshalb auch keinen Zugang zu den Maerkten in der Altstadt.

Unter den vorhin erwaehnten Blockaden sind 14 Checkpoints, die die Palaestinenser davon abhalten nach H2 zu fahren oder zu gehen. Palaestinenser die innerhalb H2 leben, muessen sich bei der israelischen Armee registrieren. In der Gegend von Wadi Al Gruz, einem palaestinensischem Viertel zwischen den israelischen Siedlungen Kiriyat Arba' und Givat Kharsina, haben Erdaufschuettungen, Strassenblockaden und Strassentore dazu gefuehrt, dass deren Einwohner vom Rest der Stadt isoliert sind.

Der Einfluss israelischer Absperrungen auf geschaeftliche Aktivitaeten

Die von Israel ergriffenen Massnahmen (Militaerbefehle, anhaltende Ausgangsspperren) waehrend der zweiten Intifada, besonders zwischen 2001 und 2002, haben zusammen mit der von den Siedlern ausgeuebten Gewalt zur Erlahmung des Altstadtmarktes (Al- Suq) gefuehrt. Ladenbesitzer sind gezwungen sich auf aufeinanderfolgende Transportketten (Gueter werden mehrmals von einem Fahrzeug auf das naechste bewegt) einzulassen, um Waren einzufuehren. Der Grosshandel und der Gemuesemarkt sind vom H2 Gebiet nach H1 umgezogen. Dem palaestinensischen Wirtschaftsministerium zufolge waren vor September 2000 noch 1610 Geschaefte in H2 angemeldet. Derzeit sind mehr als 1000 Geschaefte geschlossen, davon ein Drittel durch Militaerorders. Das Hebron Rehabilitation Committee hat herausgefunden, dass von den 650 Geschaeften und Lagerplaetzen, die noch in Al-Suq liegen, gegenwaertig nur 10% betrietbsfaehig sind.

 

Die eben genannten Bedingungen haben die Armut im Sektor H2 erhoeht. In einer vom palaestinensischen Wirtschaftsministerium erstellten Umfrage aus dem Jahr 2005 ist zu lesen, dass das durchschnittliche Haushaltseinkommen in H2 bei 700 NIS pro Monat liegt, was einem Betrag weit unter der Armutsgrenze entspricht. Das internationale Kommittee des Roten Kreuzes hat 2002 eine monatliche Verteilung von Lebensmittelpaketen an fast 2500 Haushalte in H2, und somit an nahezu alle Einwohner rund um den Altstadtmarkt, initiiert.  

Gewalt von Siedlern

Die israelischen Siedler setzen ihre taeglichen Gewaltangriffe gegen Einwohner und deren Hab und Gut in der Altstadt und im Viertel von Nasarah, das in unmittelbarer Naehe der Siedlung Kiriyat Arba' liegt, weiter fort. Diese Attacken zielen auf die Vertreibung von palaestinensischen Familien von diesem Gebiet, besonders von jenen die im Altstadtgebiet und in der Naehe der Siedlungen leben. Ueber den Passagen des Altstadtmarktes (Al Suq) ist Stacheldraht platziert worden, weil diese Passagen unterhalb der Siedlung Avraham Avino und ueberhalb der Old Shalala Strasse, die ihrerseits wiederum unterhalb der Siedlung Beit Hadasah (Dabovia) liegt, verlaufen und Siedler Muell, Steine und leere Flaschen auf die Koepfe von Fussgaenger und Ladenbesitzer werfen. Die Siedler erzeugen somit eine fortwaehrende Demuetigung und reduzieren den Fussgaengerverkehr unter ihnen, weil die Menschen Angst haben.

Humanitaere Auswirkungen der Absperrungen und Gewalttaetigkeiten

Religioese Rechte: Moscheebesucher muessen eine Reihe von Metaldetektoren passieren, um die Ibrahimi Moschee zu betreten. Diese Prozedur kann bis zu einer halben Stunde dauern. Die Moscheebesucher muessen wartend in einer Schlange vor den Toren stehen und auf die Genehmigung der Soldaten warten, um dann je einzeln die Schleuse zu betreten und kontrolliert zu werden. Es kommt vor, dass Menschen im Rolltor feststecken und dann warten muessen bis einer der Soldaten einen Knopf betaetigt, um eintreten zu koennen.

Dieser erniedrigende Prozesss fuehrt zu einem erhoehten Wut- und Spannungspegel unter den palaestinensichen Glaeubigen und Einwohnern in diesem Gebiet. Zu bestimmten juedischen Jahrestagen und religioesen Festen darf in der Ibrahimi Moschee Mu' azin nicht gebetet werden. Dieses Verbot wird manchmal tage- und naechtelang aufrechterhalten.

Gesundheit: Die zahlreichen Bewegungseinschraenkungen bezueglich einzelnen Teilen von H2 bedeuten, dass medizinisch bedingte Abtransporte entweder verzoegert oder ganz gestrichen worden sind. Ambulanzfahrzeuge koennen H2 oder die Ostseite Hebrons nicht erreichen. Die palaestinensische Red Crescent Society schaetzt, dass als direkte Konsequenz der israelischen Absperrungen und Bewegungseinschraenkungen in der Altstadt Patienten zusaetzliche sieben bis 17 Minuten brauchen, um ein Krankenhaus zu erreichen. Wenn es darueber hinaus noch der Koordination mit der israelischne Armee bedarf (normalerweise um einen Checkpoint zu passieren), dauert es im Durchschnitt 47 Minuten bis ein Patient im Krankenhaus ankommt.

Die Unzuverlaessigkeit der medizinischen Versorgung im Notfall fuer den Sektor H2 hat kranke Menschen und schwangere Frauen dazu veranlasst ihre Haeuser zu verlassen und in die Naehe von H1 und somit naeher an Krankenhaeuser zu ziehen. Hierzu mieten sie entweder eine Unterkunft oder sie wohnen bei Verwandten.

Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr muessen ebenso mit Verspaetungen rechnen, wenn sie in die H2 Gegend gerufen werden. Bis sie am Checkpoint eine Genehmigung zur Durchfahrt in H2 erhalten, vergehen etwa 15 Minuten. Zwischen September 2000 und Januar 2004 nahm die lokale Feuerwehr 120 Anrufe aus H2 an und mussten in 38 Faellen laenger als eine Stunde warten bevor sie ihr Ziel erreichten.

Bildung: Die Anwesenheit der Schueler und deren Leistung nimmt in Schulen, die in der Naehe von Siedlungen liegen, ab. Ein Beispiel: Die Anwesenheit in jenen drei Schulen, die am naehesten an Siedlungen liegen- Al Ibrahimiyye, Cordoba und Al Fayhaa- hat seit September 2000 um fast 50% abgenommen, weil die Kinder unter diesen unsicheren Bedingungen nicht lernen koennen.

 

Bereitgestellt durch: 

 

The Applied Research Institute – Jerusalem

 

Categories: Reports